Capoeira Angola

Afrobrasilianische Kampfkunst

Chamada

Capoeira, eine afrobrasilianische Kampfkunst, vereint Körperbeherrschung, Tanz und Spiel mit Rhythmus, Musik und Gesang. Es ist eine Art Zwiegespräch zwischen den beiden Spieler*innen, nicht mit Worten, sondern mit Bewegungen des Angriffs, der Verteidigung und der Täuschung.

 

Capoeira Angola verwebt schwierige Bewegungen mit geistiger und körperlicher Disziplin, Kampf, Strategie und Philosophie zu einem einzigartigen „Spiel“.

 

Die Geschichte der Capoeira Angola

Mit der Kolonialisierung Brasiliens durch die Portugiesen begann die Versklavung der Afrikaner*innen, die zum größten Teil aus der portugiesischen Kolonie Angola stammten. Fern ihrer Heimat, ihren kulturellen und religiösen Traditionen, wurden Familien und gleichsprachige Gruppen getrennt, um Widerstand zu erschweren. Zu dieser Zeit tauchen erste Berichte über ungewöhnliche Kampftechniken der Schwarzen auf – Capoeira: Eine im Tanz getarnte Verteidigung gegen ihre Unterdrücker. Eine Kampfart, die nicht allein auf rohe Gewalt baut, sondern vor allem auf Intelligenz und Mandinga (Magie oder auch Täuschung).

Ein Kampf versteckt im Tanz

Als eine der Wurzeln der Capoeira gilt der N´golo, ein Kampf-Tanz im Rahmen einer Hochzeitszeremonie der Bantus in Angola, bei dem zwei „Rivalen“ um die Braut kämpften – den Kampf der Zebrahengste nachahmend. In der neuen Umgebung des brasilianischen Urwaldes und der Plantagen der Portugies*innen kamen neue tierähnliche Bewegungen hinzu (der Kopfstoß des Stieres, der Stich des Rochens, die Eleganz der Schlange).

Die Capoeira wie auch andere Ausdrucksformen schwarzer Kultur wie Candomblé, Samba, u.a. waren lange verboten, Capoeiristas wurden von der Polizei verfolgt und umgebracht. Erst in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts lockerte sich die Politik gegenüber der schwarzen Mehrheit.

 

Mestre Bimba und Mestre Pastinha

Mestre Bimba (1900-1974) eröffnete unter staatlicher Kontrolle eine erste Capoeira-Akademie. Unter Einbeziehung asiatischer Kampfkünste entwickelte er die moderne Luta Regional Baiana (regionaler Kampf Bahias), heute Capoeira Regional genannt, die Capoeira wieder in ganz Brasilien populär und auch für die Mittelschicht attraktiv machte.

Etwa zeitgleich bewahrte Mestre Pastinha (1889- 1981) die „alten“ Elemente der durch Verfolgung heruntergekommenen und außerhalb Salvador da Bahias fast ausgerotteten Capoeira der schwarzen Unterschicht, die er Capoeira Angola nannte. 
Sie betont die afrikanischen Elemente Ritual, Malicia (List, Schauspiel) und Mandinga (Magie, Zauberei).

Noch Anfang der 1980er Jahre schien die Capoeira Angola fast verschwunden zu sein, da die wenigen alten Meister aus der Akademie Pastinhas, enttäuscht vom gesellschaftlichen Desinteresse, der Armut ihres Standes und von der Geringschätzung durch die modernen Stile, Unterricht und Schulen längst aufgegeben hatten. Durch eine neue Generation junger Capoeiristas in Bahia wurden einige Angoleos zurückgerufen.

 

Die Roda de Capoeira

Rhythmus und Geschwindigkeit des Spiels werden in der Roda de Capoeira durch die Batteria bestimmt: bestehend aus drei Berimbaus, Atabaque (Standtrommel), Pandeiro (Tambourin), Reco-reco (Ratsche) und Agogô (doppelte Metallglocke). Die Musik, der Gesang aber auch die Energie der Umstehenden beeinflusst die zwei Spieler*innen im Kreis. 
Die Ginga, der Grundschritt in der Capoeira, ist rhythmisch, auch tänzerisch und geht in akrobatische Bewegungen über.

 

Wie Frage und Antwort wechseln sich Figuren von Angriff und Ausweichen ab, mal tief am Boden, auf den Händen und auf dem Kopf, mal aufrecht auf den Füssen. Das schöne Spiel ist das „Spiel aus Angola“. Die Capoeira Angola lässt jedem Raum, seine individuelle Persönlichkeit und seinen Ausdruck zu entfalten. Aber sie ist nicht beliebig. Festgelegte Grundbewegungen, Regeln und ein Jahrhunderte altes, gemeinschaftliches Ritual sind der Rahmen.